Dies & Das: Mit Muslimen leben

Mit Muslimen leben

Fast eine Million Muslime leben in Österreich. Sie gehören hierher, sie sind unsere Leute

„Der Islam gehört zu Deutschland“, sagte vor einigen Jahren Bundespräsident Christian Wulff und erntete damit sowohl Zustimmung wie Widerspruch. Gehört der Islam ‚zu Österreich? Fast eine Million Muslime leben hier. Sie gehören hierher, sie sind unsere Leute. Ob auch ihr Glaube hierhergehört, soll nun die von Susanne Raab erfundene „Beobachtungsstelle für den politischen Islam“ untersuchen. Das klingt mehr nach Polizei als nach Integration.

Diese Integrationsministerin ist bisher mehr durch missglückte Sager über das „Problem“ Mehrsprachigkeit und Parallelgesellschaften aufgefallen als durch positive Integrationsmaßnahmen.

Politischer Islam“ ist ein umstrittener Begriff. Er meint eine ultrakonservative Ideologie, die mit Demokratie und liberalem Rechtsstaat nicht vereinbar ist. Das gibt es freilich auch in anderen Religionen. Eine fundamentalistische Minderheit in der katholischen Kirche lehnt geltendes österreichisches Recht wie Ehescheidung und Straflosigkeit für Abtreibung strikt ab. Ultraorthodoxe Juden leben in einer Parallelgesellschaft, die sich von der Mehrheitsbevölkerung abschottet. Damit muss ein demokratischer Staat leben.

Extremismusexperte Lorenzo Vidino, Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) und Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide bei der Präsentation der „Dokumentationsstelle Politischer Islam“.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Aber was, wenn religiöse Vorschriften dem Strafgesetz widersprechen? Zwangsverheiratungen Minderjähriger? „Züchtigungen“ widerspenstiger Ehefrauen? Für Straftaten sind in Österreich die Polizei und die Gerichte zuständig. Und für wirklich staatsgefährdende Tätigkeiten der Verfassungsschutz. Ideologische und religiöse Auseinandersetzungen sollten nicht von einer staatlichen Behörde geführt werden, sondern von den Religionsgemeinschaften selbst. Man kann verstehen, dass die Islamische Glaubensgemeinschaft nicht gern mit der Beobachtungsstelle, die sie als feindselig empfindet, zusammenarbeiten will. Aber dann muss sie die Diskussion über das Leben von Muslimen im demokratischen Österreich im eigenen Rahmen führen.

Respektvolles Zusammenleben

Anders als Frankreich hat Österreich keine strikt laizistische Tradition, sondern eine der Zusammenarbeit von Thron und Altar. Das hatte in der Vergangenheit seine Schattenseiten. Wie man aber diese Tradition positiv aufnehmen kann, haben in jüngerer Zeit der SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky und der katholische Kardinal Franz König gezeigt. Auch zwischen Sozialdemokratie und Kirche gab es, historisch bedingt, schwere Gegensätze und Verwerfungen. Trotzdem haben Kanzler und Kardinal ein respektvolles Zusammenleben auf Augenhöhe zustande gebracht.

Sollte so etwas zwischen dem Staat und den Vertretern der österreichischen Muslime nicht möglich sein? Bisher hat man von offizieller Seite vor allem die Botschaft vermittelt bekommen: Muslime sind gefährlich. Sie, und nur sie, sollen nun, gleichsam mit der Pistole auf der Brust, zu einem Bekenntnis zur Verfassung genötigt werden. Der Islam sei gefährlicher als das Coronavirus, sagte Norbert Hofer, immerhin Chef des einstigen Koalitionspartners der regierenden ÖVP.

Ermutigende Signale, etwa die Würdigung herausragender Leistungen muslimischer Zuwanderer, sieht und hört man nicht. Dutzende syrische Ärzte haben in den letzten Jahren die schwierige Nostrifikation ihrer Diplome geschafft und arbeiten erfolgreich in Krankenhäusern. Ein arabischer Schüler gewann einen landesweiten Informatikpreis. Die Muslimische Jugend stellte eine Mahnwache bei einer Aktion gegen Antisemitismus. Auch das muss zählen, damit es eines Tages heißt: Der Islam gehört zu Österreich. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 5.8.2020)

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