Asylpolitik: Härten, Kompromisse und ein Vorschlag für Trouble-Shooting
Wien – In Sachen Sicherungshaft hatte die Gerüchteküche der vergangenen Tage recht: Im Kapitel Asyl sieht das türkis-grüne Regierungsprogramm tatsächlich die Einführung einer neuen Form des Freiheitsentzugs „zum Schutz der Allgemeinheit“ vor; als allerletzter Punkt in dem umfangreichen Asylkapitel des Regierungsprogramms.
Dabei soll es sich um einen „zusätzlichen, verfassungskonformen Hafttatbestand“ für gefährliche, aber nicht straftatverdächtige Personen handeln, wie es ihn bereits in 15 europäischen Ländern gebe.
Dem Vernehmen nach bestand die ÖVP auf diesem Plan, der bereits unter Türkis-Blau ventiliert worden war. Bei Rechtsexperten hatte das massive Kritik ausgelöst. Eine, wie es heißt, „verfassungskonforme“ Umsetzung des Plans könnte auch jetzt schwierig werden: In Österreich gilt ein Verfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, das strenger ist, als es die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt.
Einen gangbar erscheinenden Kompromiss haben Türkis und Grün hingegen bei der von der ÖVP-FPÖ-Regierung gestarteten Verstaatlichung der Versorgung und Rechtsvertretung von Schutzsuchenden erzielt. Gegen den Plan, die rechtliche Unterstützung von Flüchtlingen den derzeit tätigen NGOs zu entziehen und stattdessen dem Innenministerium unterstehenden Beratern zu übertragen, gibt es wie berichtet massive Einwände.
Nun soll die bereits gegründete Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) zwar wie geplant ihre Arbeit aufnehmen. Um die „Unabhängigkeit der Rechtsberatung zusätzlich abzusichern“, soll es aber einen mit Experten vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR sowie NGO-Vertretern beschickten Qualitätsbeirat sowie Qualitätsmonitoring durch unter anderem den UNHCR geben.
Insgesamt sind die menschenrechtlichen Vorgaben im Asylbereich bescheiden: Lediglich die „Mindeststandards der Genfer Konvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und des EU-Rechts“ sollen geachtet werden.
Angesichts des Umstands, dass derzeit etwa die von den EU-Richtlinien verlangten Niedrigstlevels in vielen Unionsmitgliedsstaaten freiwillig überboten werden – in manchen Bereichen auch in Österreich –, erscheint das als wenig weiter Wurf.
Auch eine Konstante asylpolitischer Forderungen, die Beschleunigung der Verfahren, kommt im türkis-grünen Regierungsprogramm vor. Asylverfahren sollen künftig durchschnittlich höchstens sechs Monate dauern. Dazu soll der Personalstand am Bundesverwaltungsgericht „deutlich angehoben“ werden, vor allem beim „wissenschaftlichen Personal“.
Ebenso soll – auch das ist kein neuer Vorsatz – die Qualität der erstinstanzlichen Asylbescheide beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) verbessert werden.
Zudem ist ein „beschleunigtes, modernes, grenznahes Asylantragsverfahren im Binnen-Grenzkontrollbereich“ in der Pipeline. Es soll insbesonders bei Ankunft von Flüchtlingen in größerer Zahl hilfreich sein, wenn das EU-weit geltende Dublin-Verfahren, das die Verantwortung des Mitgliedstaaten für die Asylverfahren regelt, de facto außer Kraft gesetzt ist.
Zuletzt sieht das Regierungsprogramm einen Konfliktbewältigungsmechanismus für den Fall von innerkoalitionären Dissens um Asylthemen vor. Ist keine Einigung innerhalb der Regierung in Sicht, kann einer der Partner die Sache per Initiativantrag und Ausschussbeschäftigung im Nationalrat alleine zur Abstimmung bringen: in dieser Form eine absolute Novität. (Irene Brickner, 2.1.2020)