Dies & Das: Susanne Wiesingers Schüler

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KOLUMNE   Barbara Coudenhove-Kalergi 

6. Februar 2020

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Susanne Wiesingers Schüler

In Österreich haben wir eines der teuersten Bildungssysteme Europas, wir haben jede Menge Polizisten, aber zu wenige Lehrer, Sozialarbeiter und Schulpsychologen

Susanne Wiesingers Bücher über die Krise des österreichischen Schulwesens durch die angeblich drohende Islamisierung haben ein großes, aber widersprüchliches Echo gefunden. Endlich!, sagen die einen. Alarmismus!, sagen die anderen. Die Autorin hat in ihrem ersten Buch die roten Wiener Schulbehörden kritisiert, weil diese die Probleme kleinredeten, und wurde daraufhin sofort vom schwarzen Bildungsministerium als Ombudsfrau angestellt. Im zweiten Buch kritisierte sie die „Abgehobenheit“ der dortigen Bildungsbürokraten und wurde prompt gefeuert. Mittlerweile ist sie bei den einen wie den andern unten durch.

Wer als interessierter Außenstehender die beiden Bücher und den Schlussbericht der Ex-Ombudsfrau liest, findet ein paar Schlussfolgerungen, denen niemand widerspricht. Die Neuen Mittelschulen, in Ballungsgebieten „Restschulen“ mit überwiegend migrantischen Schülern, seien gescheitert. Der normale Lehrplan könne nicht eingehalten werden. Die Schüler, oft schon in der dritten Generation in Österreich lebend, könnten zu schlecht Deutsch, um dem Unterricht zu folgen, und verließen die Schule ohne Abschluss und ohne Perspektive. „Wir verlieren eine Generation.“

Jeder, der mit Neuflüchtlingen zu tun hat, weiß, dass die meisten von diesen alles tun, um Deutsch zu lernen und Fuß zu fassen. Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

So weit sind sich alle einig. Uneinigkeit besteht allerdings darüber, ob wirklich der Islam an der Misere schuld ist. Autor Niki Glattauer, selbst Brennpunktschullehrer, meint, wenn ein Schüler kopftuchlose Mädchen Huren nenne, sage er einfach: Bist deppert? Susanne Wiesinger, Lehrerin in Wien-Favoriten, ortet hingegen eine wachsende Tendenz muslimischer Jugendlicher, sich in ihre Community zurückzuziehen und die Mehrheitsgesellschaft pauschal abzulehnen.

Eine mögliche Erklärung: Das Problem sind weniger die neu zugezogenen Flüchtlinge, die derzeit mit allen Mitteln schikaniert werden, als die Enkel der Gastarbeiter von einst, die österreichische Staatsbürger sind und die selbst ein Herbert Kickl beim besten Willen nicht loswerden könnte. Jeder, der mit Neuflüchtlingen zu tun hat, weiß, dass die meisten von diesen alles tun, um Deutsch zu lernen und Fuß zu fassen. Viele sind ja gerade deshalb von zu Hause geflohen, weil sie nicht in islamistischen Diktaturen leben konnten und wollten. Anders die Nachkommen der türkischen Gastarbeiter, um deren Integration sich nie jemand bemüht hat. Sie haben sich im Ghetto eingerichtet und finden schwer wieder heraus. Eine europaweite Studie zeigt, dass Österreich, was den sozialen Aufstieg dieser Gruppe angeht, an letzter Stelle liegt.

Die Folgen bekommen die Lehrer zu spüren. Viele engagierte Junglehrer, berichtet Susanne Wiesinger, fühlen sich überfordert und verlassen nach ein, zwei Schuljahren den Beruf. Kein Wunder, fehlt es in diesem lebenswichtigen Biotop doch hinten und vorne an Unterstützung. Wir haben eines der teuersten Bildungssysteme Europas, wir haben jede Menge Polizisten, aber viel zu wenige Lehrer, Sozialarbeiter und Schulpsychologen.

Die Bücher von Susanne Wiesinger, langjährige Personalvertreterin und Gewerkschafterin, sind ein Hilfeschrei. Wir sollten ihn hören. Und über deren Inhalte nachdenken, statt darüber zu diskutieren, ob die ehemaligen Vorgesetzten der Autorin jetzt beleidigt sind oder nicht. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 6.2.2020)

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