Walter Geyer zur WKStA: „Idee roter Netzwerke ist absurd“
In einem Hintergrundgespräch empörte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). In einer Aussprache will er über „Defizite und Verbesserungspotenziale“ reden. Walter Geyer, einst grüner Abgeordneter und dann Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft, kritisiert Kurz‘ Einmischung und ortet Druck auf die Justiz. Parteipolitische Unterstellungen nennt er „absurd“.
STANDARD: Was halten Sie vom runden Tisch, zu dem Bundeskanzler Kurz die WKStA geladen hat?
Geyer: Es hat mich zunächst einmal erstaunt, dass sich Kurz derart in die Angelegenheit der Justizministerin einmischt, die eigentlich für die Staatsanwaltschaften zuständig ist. Dieser Eingriff eines Bundeskanzlers ist schon per se ungewöhnlich. Im Zusammenhang mit seinen kolportierten Äußerungen aus dem Hintergrundgespräch mit Journalisten ergibt sich für mich allerdings ein größeres Bild.
STANDARD: Nämlich welches?
Geyer: Es scheint so, dass die Justiz unter Druck gesetzt werden soll. Offenbar ist eine allzu genaue Untersuchung der Causa Casinos und der politischen Deals, die im Umfeld dahinter abgelaufen sein könnten, nicht gewünscht.
STANDARD: Sollte die grüne Justizministerin Alma Zadić dem Bundeskanzler energischer seine Grenzen aufzeigen und sich gegen Einmischungsversuche bei der Justiz stellen?
Geyer: Ich werde ihr sicherlich keine Ratschläge über die Medien erteilen. Alma Zadić hat einen sehr festen Standpunkt und hat auch entsprechend klar auf die jüngsten Wortmeldungen reagiert, indem sie sich hinter die Staatsanwaltschaft gestellt hat.
STANDARD: Der Bundeskanzler hat sich im Hintergrundgespräch auch über ein parteipolitisches Agieren der WKStA beklagt und ihr eine Nähe zur SPÖ unterstellt. Was sagen Sie als ehemaliger Chef der Behörde dazu?
Geyer: Die Behauptung, dass die WKStA parteiisch agiert, ist aus meiner Sicht inhaltlich falsch, dafür sehe ich keine Anzeichen. Und die Idee, es gäbe „rote Netzwerke“ in der WKStA, ist schlichtweg absurd. Man muss bedenken, dass es die Korruptionsstaatsanwaltschaft seit dem Jahr 2009 gibt. Seither waren praktisch ausschließlich Minister im Amt, die von der ÖVP bestellt wurden. Die Staatsanwälte der WKStA wurden also durchwegs von ÖVP-Ministern ernannt. Dass die schwarzen Minister ein rotes Netzwerk aufgebaut hätten, wäre mir – jedenfalls in meiner Zeit – nicht aufgefallen.
STANDARD: Ein weiterer Vorwurf von Kurz war, dass die WKStA Akten aus laufenden Verfahren an die Medien weitergibt.
Geyer: Auch diese Art, den Staatsanwälten Amtsmissbrauch zu unterstellen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Informationen aus den Verfahren kommen – das wissen Sie als Journalist ohnehin am besten – meist von Verfahrensbeteiligten, die ganz legal Akteneinsicht nehmen können.
STANDARD: Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler wird am Montag auch bei der Aussprache dabei sein. Sie wünscht sich, dass Verfahren gegen Mitbeschuldigte schneller eingestellt werden, weil sonst deren berufliches Fortkommen übermäßig blockiert werde.
Geyer: Dazu kann ich nur sagen: Lange Verfahrensdauern liegen auch den Staatsanwälten im Magen. Die große Mehrheit der Verfahren geht in Österreich zwar schnell voran, aber einige größere Fälle ziehen sich tatsächlich gehörig in die Länge. Die Staatsanwälte tun, was in ihrer Macht steht, damit es zügig vorangeht.
STANDARD: Was kann man auf politischer Ebene tun, um Korruptionsverfahren zu beschleunigen?
Geyer: An erster Stelle gilt es, die Unabhängigkeit der Behörde zu stärken.
STANDARD: Was meinen Sie damit konkret?
Geyer: Das Grundproblem liegt in der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften. Dadurch hat der Justizminister oder die Justizministerin eine Durchgriffsmöglichkeit auf sämtliche Strafverfahren. Das ist europaweit ein Sonderfall – von einer wirklichen Unabhängigkeit der Staatsanwälte kann man in Österreich nicht sprechen. Justizministerin Maria Berger (SPÖ, von 2007 bis 2008 im Amt, Anm.) hat versucht, hier Verbesserungen herbeizuführen und die Berichtspflichten der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu reduzieren. Danach ist das leider von ÖVP-Ministern teilweise konterkariert worden, und die Berichtspflichten wurden wieder aufgebläht.
STANDARD: Gibt es nicht auch bei der WKStA ein Ressourcenproblem? Übergangs-Justizminister Clemens Jabloner sprach generell von einem „stillen Tod der Justiz“ und Personalmangel.
Geyer: Ja, die WKStA bräuchte sicherlich noch mehr Fachkräfte. Insbesondere IT-Experten und Wirtschaftsfachleute wären in komplexen Wirtschaftsverfahren vonnöten, um die Verfahren effizienter zu machen. Wenn sich jetzt aber ausgerechnet jene über lange Verfahren beschweren, die am verheerenden Sparkurs in der Justiz beteiligt waren, ist das freilich etwas kühn. Es braucht auf jeden Fall eine Aufstockung des Justizbudgets, da ist die neue Bundesregierung gefordert. (Theo Anders, 7.2.2020)
Walter Geyer (72) war ab 2009 Leiter der neugegründeten Korruptionsstaatsanwaltschaft. 2013 ging er in Pension. Bei den Koalitionsgesprächen mit der ÖVP verhandelte er für die Grünen das Justizkapitel der Regierung. Von 1986 bis 1988 war er Abgeordneter der Grünen im Nationalrat.
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