Dies & Das: Umstrittenes Tierversuchslabor an zahlreichen Glyphosat-Studien beteiligt

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LAUT GLOBAL 2000

Regina Bruckner, 11. Februar 2020

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Umstrittenes Tierversuchslabor an zahlreichen Glyphosat-Studien beteiligt

Der Glyphosat-Ausstieg Österreichs wurde von der Übergangsregierung vertagt. Zum Unmut der Umweltschützer. Die legen nun brisantes Material rund um die Zulassung des Herbizids vor

Das Aus für das umstrittene Herbizid schien beschlossene Sache. Nun liefern fragwürdige Studien den Gegnern weiteren Zündstoff. Foto: Patrick Pleul

Um das vom Nationalrat im Juli 2019 beschlossene Glyphosat-Verbot ist es still geworden. Das im Parlament – gegen die Stimmen der ÖVP – verfügte Aus konnte nicht wie geplant Anfang 2020 in Kraft treten. Das Gesetz wurde bekanntlich von Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein wegen eines Formalfehlers nicht kundgemacht.

Nun gehen die Meinungen darüber, wer nun für die Sache zuständig ist, auseinander. Ein entsprechender Entschließungsantrag des Parlaments von Ende Dezember verpflichte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, das Glyphosat-Verbot erneut zur Notifizierung nach Brüssel zu schicken, hatte jüngst Greenpeace erklärt. Im Landwirtschaftsministerium heißt es indes, der Ball liege nun beim Parlament. Für die Notifizierung sei zuständig, wer den Antrag eingebracht habe. Das wiederum war erneut die SPÖ. Das Vorhaben liegt jetzt im Sozialausschuss, sagt Jörg Leichtfried, SPÖ-Klubobfrau-Stellvertreter. Nur für die Notifizierung sei das Landwirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt zuständig. Gewiss ist: Auf dem Weg nach Brüssel ist derzeit nichts.

Tierversuchslabor involviert

Für die Umweltschutzorganisation Global 2000, die anlässlich des Stopps des rot-weiß-roten Glyphosatausstiegs beklagte, es laufe „etwas grundlegend falsch in Europa“, ist das Thema Glyhposat keineswegs vom Tisch. Im Gegenteil: Die NGO knöpfte sich gemeinsam mit dem deutschen Pestizid-Aktionsnetzwerk PAN-Germany und der Brüsseler Organisation Corporate Europe Observatory die Zulassungsverfahren für das umstrittene Herbizid vor – und kommt zu beunruhigenden Schlüssen.

21 der 150 im Zulassungsverfahren von Glyphosat neu eingereichten Herstellerstudien würden aus einem Tierversuchslabor stammen, das mit schweren Betrugsvorwürfen konfrontiert sei, heißt es in einem aktuellen Bericht, der dem STANDARD vorliegt. Global 2000 verweist darin auf einen Fall in Deutschland, wo im Oktober 2019 das ARD-Nachrichtenmagazin „Fakt“ schwere Betrugsvorwürfe gegen das LPT Hamburg (Laboratory of Pharmacology and Toxicology) erhob. Dieses Vertragslabor führt im Auftrag der Pharma- und Chemischen Industrie regulatorische Studien nach dem sogenannten GLP-Standard durch, ein QualitätssicherungsStandard, der eingeführt worden ist, um wissenschaftlichen Tricksereien einen Riegel vorzuschieben.

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Wieso Glyphosat nicht verboten ist.

Fragwürdige Studien

Die Vorwürfe gegen das Labor reichen von serienmäßiger Fälschung von Versuchsdaten, die „nicht den Erwartungen entsprachen“, bis zur Vertuschung des Todes von Versuchstieren. Sie gehen bis ins Jahr 2005 zurück und sind derzeit Gegenstand von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft. Aktuelle Recherchen in Form von elektronischen Screenings des EU-Bewertungsberichts zeigen nun laut Global 2000, dass bei LPT auch Studien erstellt wurden, die Teil des Studienpakets für die EU-weite Zulassung von Glyphosat im Dezember 2017 gewesen seien. Konkret ist demnach jede siebente Studie dieses Pakets, mit dem Glyphosat ein „bekanntermaßen vorteilhaftes Zeugnis“ ausgestellt bekommen habe, von LPT gekommen.

„Vielleicht erklärt das auch, weshalb im europäischen Zulassungsverfahren von Glyphosat die Herstellerstudien übereinstimmend erklärten, dass Glyphosat nicht in der Lage sei, die DNA zu schädigen und Krebs auszulösen, während Dutzende von unabhängigen Studien Gegenteiliges fanden“, mutmaßt Global-2000-Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden. Der aktuelle Fall zeige jedenfalls, dass der Stempel „fälschungssicher“ mit Vorsicht zu genießen sei. (Regina Bruckner, 11.2.2020)

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