Dies & Das: Der Klimawandel stellt das Einfamilienhaus infrage

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Wohntraum

Franziska Zoidl

7. November 2021

Der Klimawandel stellt das Einfamilienhaus infrage

Es ist der Wohntraum vieler Menschen und in Zeiten der Klimakrise umstritten wie nie: Was das Problem mit dem Einfamilienhaus ist – und wie man nachhaltiger wohnen könnte

Die Sommer werden heißer, Starkregen und Überschwemmungen häufen sich. Vor einigen Monaten deckte ein Tornado in Teilen des Landes die Dächer ab. Der Klimawandel hat Österreich erreicht. Eines wandelt sich damit aber nicht: die Liebe der Österreicherinnen und Österreicher zum Einfamilienhaus. Es ist der Wohntraum schlechthin, das zeigen Umfragen regelmäßig.

Der Klimawandel ist auch in der Einfamilienhaus-Siedlung angekommen.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Frank Wagner

Nachhaltig ist das überdimensionierte Haus aus der Feder des örtlichen Baumeisters aber nicht. Denn die Einfamilienhäuser tragen zum grassierenden Flächenverbrauch bei. Und auch zur Verkehrslawine: In vielen Garagen stehen ein bis zwei Autos, weil die Einfamilienhaussiedlungen außerhalb von Ortszentrum und dazugehöriger Infrastruktur entstehen.

Das nachhaltigste Einfamilienhaus

Das Wiener Architekturbüro Einszueins-Architektur nimmt keine Aufträge für die Planung von Einfamilienhäusern mehr an. Das liege am exorbitanten Aufwand, den die Bauform für Planerinnen und Planer darstellt. Aber auch an der ökologischen Komponente, betont der Architekt Markus Pendlmayr.

Das nachhaltigste Einfamilienhaus, sagen Expertinnen und Experten daher gern, ist das nicht gebaute. „Oder das 300 Jahre alte“, fügt Franziska Leeb hinzu. Sie ist Architekturpublizistin und Vorstandsvorsitzende von Orte, dem Architekturnetzwerk Niederösterreich. Problematisch findet sie auch die Bauqualität der Häuser. Die Halbwertszeit sei kurz, es werde auf Vollwärmeschutz aus Verbundmaterialen gesetzt, die später schwer zu entsorgen sind. Wenn die Kosten dafür eingepreist würden, seien viele der Häuser bald nicht mehr verkäuflich.

Alternativen gesucht

Doch in vielen ländlichen Regionen fehlt es an Vorbildern und nachhaltigen, verdichteten Alternativen. Eine Möglichkeit schlummert in der Sanierung von Bestand. Davor schrecken viele zurück, weil es mehr Know-how braucht als beim Neubau auf der grünen Wiese.

Das Wiener Architekturbüro Mönkemöller und Kreppel hat sich in den letzten Jahren auf die Sanierung alter Gemäuer spezialisiert. In vielen Orten gebe es ungenutzte Liegenschaften in zentraler Lage, sagt Anja Mönkemöller. Oft ist aber Fantasie notwendig, um sich hier modernes Wohnen vorstellen zu können. Häufig gebe es zum Beispiel viele landwirtschaftliche Nebengebäude am Grundstück. Und die Bauernhäuser selbst haben oft niedrige Decken und kleine Fenster. Sie sind schwer beheizbar, die Gemäuer feucht.

Darum, sagt Mönkemöller, braucht es bei Sanierungen Unterstützung mit bauphysikalischer Expertise: „Styropor kann man auf die Außenwände nicht kleben“, sagt sie. Stattdessen gibt es Innendämmung und fallweise Lehmputz. Meist wird eine Wärmepumpe installiert. Dennoch: „Überraschungen gibt es bei jedem Umbau“, sagt sie. Wer durch Profis begleitet wird, müsse davor aber keine Angst haben.

Eine mögliche Alternative sind Baugruppen-Projekte, im Bild: das Projekt Auenweide in St. Andrä-Wördern.
Bild: www.andrepicaro.com

Bei Einszueins-Architektur hat man noch eine andere Alternative zum Einfamilienhaus parat: Mit der „Auenweide“ entsteht gerade ein Baugruppenprojekt in St. Andrä-Wördern. Acht Mehrfamilienhäuser werden in Holzriegelbauweise wie ein Dorf um einen Marktplatz errichtet. Die Fertigstellung ist für das Frühjahr 2022 geplant.

Architekt Pendlmayr plädiert dafür, sich beim Wohnen mehr mit anderen zusammenzutun: „Durch gemeinsames Anpacken wird viel möglich“, sagt er. Ein Badeteich oder eine Sauna zum Beispiel, die man sich allein nicht leisten könnte.

Mehr Recycling

Es gibt also Grund zur Hoffnung, ist man sich in der Branche einig: Bei der jüngeren Generation kommt Nachhaltigkeit immer mehr an. Auch indem auf recycelte Materialien gesetzt wird. Auf Plattformen wie Willhaben werden ganze Carports, zu viel gekaufte Ziegel, Gartenzäune und nicht mehr gebrauchtes Parkett verkauft.

Klar ist: Auch in Zeiten der Klimakrise wird niemand das Einfamilienhaus verbieten. Es wird der Wohntraum vieler Menschen bleiben. „Die Leute werden auch in Zukunft bauen dürfen“, sagt Franziska Leeb. „Aber sie müssen anders bauen.“ Im besten Fall profitieren alle davon. (Franziska Zoidl, 7.11.2021)

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