Landwirtschaft wie heute wird im Seewinkel künftig unmöglich sein

In der Region sind weitgehende Umstellungen nötig, meint die Wissenschafterin Susanne Hanger-Kopp

Die Landwirtschaft im Seewinkel wird sich umstellen müssen, meinen Forschende.
Foto: imago images/Viennareport/Leopold Nekula

Nicht nur am Wasserstand des Neusiedler Sees ist erkennbar, dass der burgenländische Seewinkel in ernsten Schwierigkeiten steckt. Das mit 40 Salzlacken größte Binnenland-Salzgebiet Europas hat seit der Mitte des 19. Jahrhunderts über 80 Prozent seiner Gesamtwasserflächen eingebüßt. Wasser wird immer mehr zur Mangelware, und das bekommt letztendlich auch die Landwirtschaft zu spüren – auf die geplante Einleitung von Donauwasser aus Ungarn sollte man sich nicht verlassen: Rund um die Landwirtschaft seien daher weitgehende Umstellungen nötig, meint Susanne Hanger-Kopp am Rande der Jahrestagung der „European Geosciences Union“ in Wien. Die Forscherin erarbeitet mit Kollegen Lösungspakete für alle Beteiligten.

Weil es keine natürlichen Wasserzuflüsse in der Seewinkel-Region gibt, sind der Neusiedlersee, die ökologisch und touristisch sehr wertvollen Salzlacken und die Landwirtschaft absolut abhängig vom verfügbaren Grund- und Regenwasser, sagte Hanger-Kopp, die am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien arbeitet: „Die globale Erwärmung hat dort besonders starke Auswirkungen, weil die Verdunstung durch die Erwärmung steigt und die Niederschläge nicht mehr in der Regelmäßigkeit kommen, die es braucht.“

Wiederbefüllung wird schwieriger

Die Probleme simmern schon seit Jahrzehnten, doch aktuell sind sie akut: Der Zicksee und die Lange Lacke sind weitgehend ausgetrocknet, der Neusiedlersee hat Rekordtiefstände, ebenso das Grundwasser. „Dass die Salzlacken austrocknen, ist auch früher schon periodisch passiert, doch laut unseren Modellrechnungen sinkt durch den Klimawandel sukzessive die Wahrscheinlichkeit der Wiederbefüllung“, berichtet Hanger-Kopp.

Von Seiten der Wasserwirtschaft würde praktisch schon alles gemacht, was möglich ist, meint die Forscherin: Man versucht, das Wasser in den Bewässerungskanälen so zu steuern, dass es möglichst lange in der Region gehalten wird. Sogar die Zufuhr von Wasser der Moson Donau (Kleine Donau) aus Ungarn ist geplant. Das Extrawasser wäre aber ausschließlich für die Landwirtschaft gedacht. Eine Zuleitung in Seen und Lacken muss erst ökologisch genau geprüft werden, weil es dabei noch diverse Bedenken gibt, so Hanger-Kopp: „Damit kann nämlich die Qualität der Ökosysteme beeinflusst werden.“

Landwirtinnen und Landwirte mit dem Rücken zur Wand

„Abgesehen davon, dass man den Klimawandel engagiert eindämmen muss, ist das größte verbliebene Handlungspotenzial in der Landwirtschaft“, sagte sie: „Die Landwirtinnen und Landwirte stehen aber schon heute mit dem Rücken zur Wand.“ Immer öfter berichten sie, dass sie nicht mehr bewässern können, weil die Pumpleitungen nicht mehr zum Grundwasser hinabreichen. „Mit den Modellierungen sehen wir auch, dass solche Situationen häufiger werden“, berichtet die Forscherin: „Immer öfter gerät man auch in die Nähe jener Grenzwerte, wo aufgrund der extremen Situation Bewässerungsverbote ausgesprochen werden müssen. Aktuell befürchtet man, dass sie dieses Jahr tatsächlich erreicht werden.“

Auf den ersten Blick würden die nötigen Verbesserungen trivial erscheinen: Effizienter zu bewässern, Kulturen anzubauen, die weniger des nassen Elementes benötigen, die Bodenbearbeitung verändern, um die Austrocknung zu reduzieren. „Das machen aber alle innovativen Landwirtinnen und Landwirte in der Region ohnehin schon, und die anderen sehen oft keine Möglichkeit für größere Umstellungen“, sagte Hanger-Kopp. Weil sie etwa auch schon beim Handel jeweils im Herbst des Vorjahres festlegen müssen, was sie in welcher Menge und Qualität liefern, fehle es ihnen auch an Flexibilität, auf die jeweilige Situation reagieren zu können.

Wackelige Hoffnung

„Auch wenn sich viele Betroffene schon bemühen, die Situation zu verbessern, hoffen die meisten aber doch darauf, dass andere etwas tun“, meint die Forscherin. Verbreitet sei auch die Ansicht, dass Donauwasser aus Ungarn alle Probleme lösen wird. Doch derzeit hake es zum Beispiel bei der Finanzierung vonseiten Ungarns, und wenn kein Wasser kommt, steht die Landwirtschaft jedes Jahr vor der Gefahr, keine Ernte einzubringen, weil sie nicht bewässern darf oder kann.

„In unserem Forschungsprojekt werden wir deshalb Szenarien mit Maßnahmen zusammenzubauen, wer im Idealfall wie handeln muss, damit die nötigen Anpassungen möglichst gut gelingen“, so Hanger-Kopp. Die Ideenvorschläge sollten möglichst akzeptabel für alle sein: „Natürlich ist es für eine Region schwierig, ganz fundamentale Veränderungen durchführen zu müssen.“ Diese seien jedoch unausweichlich: „Landwirtschaft wird im Seewinkel in Zukunft nicht mehr so funktionieren wie sie es heute dort tut“, meint sie.

Außerdem liefern die Forscher mit ihren Modellergebnissen Vergleichsdaten für neue Referenzwert-Bestimmungen anhand deren festgelegt wird, wie lange bewässert werden darf, wenn das Grundwasser knapp wird. (red, APA, 23.5.2022)

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