Dies & Das: Buschbrände in Australien: Warten auf die Apokalypse

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FEUER

REPORTAGE Urs Wälterlin aus Wombat Creek 

5. Jänner 2020

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Buschbrände in Australien: Warten auf die Apokalypse

STANDARD-Korrespondent Urs Wälterlin lebt nördlich von Canberra auf einer Farm – nun wird diese von Flammen bedroht

Blutrote Weihnachtsnacht im australischen Busch, im Norden von Canberra.
Foto: Urs Wälterlin / DER STANDARD

Das Schlimmste ist der Rauch. Selbst hier im Büro, hinter Rollläden, Fenstern und Klimaanlage. Unsere Kleidung stinkt wie die eines Pfadfinders nach dem Sommerlager. Der Hals kratzt. Meine Augen tränen.

Seit 15 Jahren wohnen wir auf unserer kleinen Farm „Wombat Creek“ nördlich der Hauptstadt Canberra. Meine Frau Christine, unsere beiden Söhne, und ich. Es ist unser Paradies. Ein Ort, wo vor dem Küchenfenster Kängurus grasen, während wir die Eier unserer Hühner zum Frühstück braten. Unter der Veranda wohnt unser Wombat Ellie. Ich hatte sie einst ihrer überfahrenen Mutter aus dem Beutel geschnitten. Meine Frau hatte das Baby ein Jahr lang mit der Flasche gefüttert. Das Waisenkind ist wieder frei, hat uns aber als seine Familie adoptiert.

Wunderschön – und potenziell tödlich

Wir sind umgeben von Wald. Typisch australischer Busch. Eukalyptus, Akazien. Wunderschön – und potenziell tödlich.

Während ich diese Zeilen schreibe, toben hinter unserem Horizont zwei Buschfeuer. 22 Kilometer entfernt ist das Feuer, das Inferno, das seit zwei Wochen die Bildschirme der Welt dominiert. Das andere ist nur zehn Kilometer von uns entfernt. Zehn Kilometer sind gar nichts. Bei Windgeschwindigkeiten von 80 Stundenkilometern, und Flammen so hoch wie Häuser, da kann sich eine Feuersbrunst in Minutenschnelle in jede mögliche Richtung entwickeln. Im Moment drängt es nach Norden. Gut für uns. Schrecklich für die Menschen, die in seinem Weg leben und alles verlieren, auch ihr Leben.

Davor habe ich Angst. Der Gedanke, dass meine Familie zu Schaden kommen könnte, ist unerträglich. Alles zu verlieren, was wir uns ein Leben lang aufgebaut haben – ein reiner Alptraum.

Die Furcht, selbst zur „Story“ zu werden

Und dann ist da die Furcht, selbst zur „Story“ zu werden. Nach 30 Jahren als professioneller Beobachter, als Journalist, der zusieht und berichtet, der analysiert und kommentiert – sich selbst aber nicht einbringt. Und jetzt das. Plötzlich bin ich mittendrin – nicht nur als Beobachter, auch als Akteur. Existenzielle Emotionen gehen einen durch den Kopf. Wenn ich schreibe, muss ich die wegstecken.

Zwischen meiner Arbeit am Mikrofon und am Computer habe ich in unseren Feuerbunker getragen, was uns am kostbarsten ist. Bilder, Fotoalben, den Ordner, in dem mein Vater in der Schweiz seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hatte, bevor er starb. Auch den Tag im Zweiten Weltkrieg hatte er beschrieben, als er aus dem Fenster seines Elternheims bei Basel zusah, wie im benachbarten Elsass die Flammen von Brandbomben den Himmel in apokalyptisches Rot tauchten.

An diese Passage erinnere ich mich heute.

Gedanken an eine Apokalypse

Ein Blick aus dem Fenster weckt Gedanken an eine Apokalypse. Unsere Aussicht – normalerweise 30 Kilometer in die Ferne – endet schon nach 30 Metern an einer rotbraunen Luftwand aus Staub, Schmutz und Asche. Zu Weihnachten war nicht nur der Himmel blutrot, sondern gleich die Luft am Boden. Während unserer Feier – komplett mit Plastikweihnachtsbaum – fühlte ich mich für einen Moment an den Film „Der Untergang“ erinnert, der die letzten Tage in Hitlers Bunker zeigt. Innen Party, draußen Armageddon.

Selbstverständlich haben wir alles getan, was die Behörden vorschreiben. Die Schutzdistanz zwischen Haus und Wald stimmt auf den Meter genau. Die Baumaterialien sind feuerfest. Und unser „Feuerplan“ schreibt Schritt für Schritt vor, was wir bei Gefahr tun müssen: Generator starten (die Stromversorgung kippt als erstes), Sprinkleranlage ums Haus aktivieren, Gasflaschen entfernen, den Hund einfangen. Flucht.

Flucht in den Feuerbunker

Die frühzeitige Evakuierung ist oberstes Gebot. Wir sitzen auf gepackten Koffern. Als absolute letzte Option, falls die Flucht nicht mehr möglich ist, haben wir den Feuerbunker. Ein Schiffscontainer, eingegraben in einen Hügel. 20 Minuten dauere ein Feuersturm, sagen die Feuerwehrleute. So lange könne man da drin überleben. Sagen sie. Und hoffe ich.

Denn wer weiß, ob sich das Feuer dann auch so verhält, wie es die Experten lange Jahre geglaubt hatten. Nichts an dieser Feuersaison ist so wie früher. Klar, Feuer hat es hier schon immer gegeben, das Risiko war bekannt und auch für uns berechenbar. Eine durch Klimawandel verschärfte Dürre hat die Vegetation aber über Jahre so ausgetrocknet wie noch nie in der Geschichte des Kontinents.

Kohleproduktion und Klimawandel

In weiten Teilen ist die Landwirtschaft ruiniert. Trotzdem blockiert Australien auch auf globaler Ebene wirklichen Klimaschutz, wo es kann. Dass es der weltgrößte Exporteur von Kohle ist und damit buchstäblich profitiert vom Export von Klimawandel, mag etwas damit zu tun haben. Wie lange das Land mit seiner Haltung noch durchkommt bei der internationalen Gemeinschaft, ist nach diesen Bränden zumindest fraglich. Die Feuer sind nicht nur der Beginn von dem, was in Australien zur Normalität wird. Sie sind eine Vorschau auf das, was der Welt bevorsteht.

Es ist Abend. Durch den dichten Rauch sehe ich in der Ferne hoch am Himmel das Leuchten des Infernos. Ich muss wieder an das Bild denken, das mein Vater als Junge im Krieg gesehen hatte. „Weshalb musst Du denn in Australien wohnen, in diesem Land, wo alles so hart ist, so brutal?“ hatte er einmal gefragt, während eines besonders heißen Sommers. „Komm doch heim“.

Wieder diese Tränen in den Augen. Es ist nicht nur der Rauch. (Urs Wälterlin, 5.1.2020)

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Weitere Informationen:

Die Zahl der Todesopfer bei den verheerenden Buschbränden im Südosten Australiens ist auf 24 gestiegen. Im Bundesstaat Victoria wurden noch sieben Menschen vermisst. Etwas Hilfe im Kampf gegen das Flammeninferno dürfte den Feuerwehrkräften eine leichte Abkühlung inmitten der sommerlichen Hitzewelle verschaffen. Zudem sind für die kommenden Tage in einigen Küstenregionen leichte Regenfälle vorhergesagt. Dies dürfte den Behörden zufolge aber kaum ausreichen, um die fast 200 Feuer unter Kontrolle zu bringen. Bei den seit September wütenden Bränden sind bereits mehr als fünf Millionen Hektar Land verbrannt.

In Australien haben Feuerwehrleute heftige Kritik am Umgang von Premierminister Scott Morrison mit den verheerenden Buschbränden geübt. Der 57-jährige Feuerwehrmann Paul Parker sagte der Nachrichtenagentur AFP, er sei „absolut entsetzt“ über die Regierung in Canberra, „vor allem Scott Morrison“. Parker verurteilte vor allem Äußerungen des Regierungschefs, wonach die tausenden freiwilligen Feuerwehrleute gerne gegen die Flammen kämpften. (red, Reuters, APA)