- Die große Leugnung in Australien
- Kein Zugeständnis an die Linke
- Eng mit der Rohstoffindustrie
- Propaganda der Medien
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Die große Leugnung in Australien
Am 15. Dezember verlor Australien seinen Premierminister. Extreme Sommertemperaturen waren vorhergesagt. Die Behörden rechneten an diesem Tag mit einer dramatischen Ausbreitung der einhundert Feuer, die allein im Bundesstaat New South Wales brannten. Und der Premierminister Scott Morrison flog nach Hawaii.
Auf einen „verdienten Familienurlaub“, wie es später hieß. Das Land wurde von Vizepremier Michael McCormack geführt, der die Besorgnis über die Zusammenhänge zwischen den Bränden und der Erderwärmung als „das Geschwafel einiger reiner, aufgeklärter und erwachender Hauptstadt-Grüner“ abtat.
Es ist wenig verwunderlich, dass sich viele Medien und Kritiker spätestens nach dieser Public-Relations-Katastrophe auf die Person Morrison stürzen – und dabei die tieferen Ursachen solchen Verhaltens negieren: Der Premier und weite Teile seiner Regierung wollen nicht glauben, was sie mit eigenen Augen sehen. „Konservative Ideologie manifestiert sich in einer Politik der Ablehnung und Leugnung der Problematik und der Wissenschaft der globalen Erwärmung“, sagt ein Kommentator.
Der Klimawandel ist keineswegs allein verantwortlich für die Brände. Für Wissenschafter aber ist unbestritten, dass die Erderwärmung maßgeblich zur Intensivierung, Ausdehnung und Gefährlichkeit der Feuer beiträgt. Laut dem Wetteramt war 2019 das wärmste Jahr in Australien seit Beginn der Aufzeichnungen mit einer nationalen Durchschnittstemperatur, die 1,52 Grad über dem langjährigen Mittel lag. Dazu habe es so wenig Niederschläge gegeben wie nie zuvor. Die Folge sind längere, intensivere Dürreperioden und eine historische Austrocknung der Vegetation. Regenwälder, die seit Millionen von Jahren von Feuern verschont blieben, brannten komplett ab.
Kein Zugeständnis an die Linke
Für viele konservative Regierungsmitglieder und Anhänger der führenden Parteien wäre jegliche Anerkennung eines Zusammenhangs zwischen den Bränden und dem Klimawandel ein inakzeptables Zugeständnis an die Progressiven, die verhasste Linke, die seit Jahren die Notwendigkeit von Klimaschutz propagieren. „Scott Morrison behauptet, dass es keine Beweise gibt, die die Kohlenstoffemissionen mit der Schwere der Feuer in Verbindung bringen“, schreibt der renommierte Investigativjournalist Michael West. Diese „nackte Leugnung der Physik“ sei „nicht nur gefährlich, trügerisch, beleidigend und fahrlässig“. Sie sei auch ein Zeichen, dass der Staat in wirtschaftlichen Interessen gefangen sei.
„State Capture“ ist der Ausdruck dafür, „die Beherrschung der Politik durch private, oft korporative Macht“. Der Begriff definiert, wie öffentliche Bürokratien von starken und mächtigen Interessengruppen dominiert werden. In Australien ist das vor allem die Kohleindustrie, die am stärksten für Emissionen verantwortlich ist. Australien ist nach Indonesien der weltgrößte Exporteur. Das Land produziert rund 60 Prozent seines Stroms durch das Verbrennen von Kohle.
Selten zeigte sich „State Capture“ in Australien so öffentlich wie 2017. Morrison, damals Schatzkanzler, spazierte mit einem Stück Kohle ins Parlament und versicherte dem Volk, es müsse vor dem Brennstoff „keine Angst haben“. Der Kohleklumpen war dem Politiker vom Dachverband der Fossilienindustrien ausgehändigt worden, dem Minerals Council of Australia (MCA). Er sei lackiert, damit sich der Politiker die Hände nicht schmutzig mache, will ein Journalist beobachtet haben.
Eng mit der Rohstoffindustrie
Laut Michael West sei die enge Verflechtung zwischen Industrie und Regierung unbestritten. „Morrisons Beraterpersonal ist ein Who’s who der Koryphäen der Kohleindustrie.“ Selbst Regierungsmitglieder sind eng mit der Rohstoffindustrie verflochten, Matthew Canavan, der Minister für Ressourcen und ein Verfechter des Ausbaus der Kohleexporte, etwa über seine Familie. Die Industrie belohnt Politiker gut, die in ihrem Sinn handeln: Ian Macfarlane, der frühere Ressourcenminister, der eine Bergbausteuer abgeschafft hatte, wurde später Chef eines Industrieverbands. Energieminister Angus Taylor war Berater des MCA, bevor er in die Politik ging. Er ist ein scharfer Kritiker erneuerbarer Energien.
Taylor bekleidet auch den Posten des Ministers für die Reduktion der Emissionen. Es ist ein zynischer Titel für einen Mann, der alles tut, um die globalen Klimaschutzbemühungen zu unterwandern. Sein Argument: Australien sei für nur 1,3 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich und tue genug gegen den Klimawandel.
Das Gegenteil stimmt: Bei der Klimakonferenz in Madrid agierte Taylor als Bremsklotz. Gemäß dem Pariser Abkommen muss Australien seine Emissionen in den nächsten zehn Jahren um 695 Millionen Tonnen senken, um eine Reduktion um 26 Prozent bis 2030 zu erreichen – eine bescheidene Zahl im internationalen Vergleich.
Die Regierung will trotzdem mehr als die Hälfte dieses Ziels mit Gutschriften aus der Erfüllung früherer Kioto-Ziele erreichen – ein „buchhalterischer Trick“, empörten sich Delegierte in Madrid. 2014 hatte die konservative Regierung ein von der sozialdemokratischen Vorgängerregierung eingeführtes, erfolgreiches Kohlenstoffhandelssystem wieder abgeschafft. Seither steigen die Klimagasemissionen wieder. Der Klimaexperte Simon Holmes à Court von der Universität Melbourne sagt, Australien müsse sehr wohl eine große Rolle im Kampf gegen die Erderwärmung spielen. Mit nur 25 Millionen Einwohnern sei das Land der vierzehntgrößte CO2-Emittent von 208 Nationen.
Propaganda der Medien
Ob die Brände das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Dringlichkeit der Bekämpfung des Klimawandels und die Rolle Australiens geweckt haben, ist zu bezweifeln. Denn die Regierung hat den vielleicht mächtigsten Verbündeten überhaupt. Die Medien aus dem Konzern von Rupert Murdoch, die rund 70 Prozent des Zeitungsmarkts kontrollieren, leugnen seit Jahren die Existenz des Klimawandels, verwerfen jeden Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen und gehen vehement gegen Kritiker der Rohstoffindustrie vor.
Auch jetzt läuft die Propagandamaschine. Die Murdoch-Blätter druckten Berichte über die Feuer erst auf der vierten Seite ab. Kolumnisten wie Miranda Devine behaupten: „Grüne, nicht Klimawandel sind für die Brände verantwortlich.“ „Gutmenschen“ hätten jahrelang gegen ein präventives Abbrennen gefährdeter Gebiete opponiert. „Eine glatte Lüge“ sei das, empörte sich darauf ein führender Feuerwehrkommandant.
Australien verdient pro Jahr rund 45 Milliarden Euro mit dem Export seiner Kohle. Während im Süden die Flammen toben, sind weiter nördlich dutzende neue Kohleminen geplant. Damit wird Australien der Platz als führender Exporteur garantiert bleiben. Der Rauch der Brände verdüsterte derweil in der vergangenen Woche den Himmel über Chile – 12.000 Kilometer von Australien entfernt. (Urs Wälterlin aus Canberra, 12.1.2020)