Dies & Das: Österreichs Markt für Zweitwohnungen boomt – zum Leidwesen der Einheimischen

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Daniel Imwinkelried, Wien

14.03.2021

Österreichs Markt für Zweitwohnungen boomt – zum Leidwesen der Einheimischen

Unmut wegen zugebauter Ufer und hoher Immobilienpreise: der Wörthersee im Bundesland Kärnten.
Imago

Wolfgang Schnöll, Amtsleiter der Salzburger Gemeinde Bad Hofgastein, trifft sich einmal pro Monat mit einem Detektiv. Dessen Aufgabe war es ursprünglich, bei säumigen Hotels die Kurtaxe einzutreiben; mittlerweile macht er auch Jagd auf Zweitwohnungsbesitzer, die ihr Domizil bei der Gemeinde nicht korrekt als Nebenwohnsitz angemeldet haben. Bad Hofgastein kämpft so gegen die Auswüchse des Zweitwohnungsgeschäfts.

Dieses boomt in Österreich mehr denn je. Die lebhafte Nachfrage von Deutschen, Tschechen, Russen oder Niederländern nach einem Feriendomizil heizt die Grundstückpreise an. Angesichts der niedrigen Zinsen und der hohen Aktienpreise suchen wohlhabende Sparer nach soliden Sachwerten – fündig werden sie in Österreichs lieblichen Tourismusregionen in Tirol, Salzburg und Kärnten.

Käufer aus der Schweiz

Jüngst habe auch die Nachfrage aus der Schweiz stark angezogen, sagt der einheimische Anwalt Siegfried Kainz. «Es läuft gerade ziemlich rund.» Immobilienmakler vermuten, dass die hohen Preise in der Schweiz und die Beschränkung des Zweitwohnungsbaus Käufer dazu bewegen, sich in Österreich nach einer Liegenschaft umzusehen.

Hierzulande sind im vergangenen Jahr die Immobilienpreise laut der Österreichischen Nationalbank im Durchschnitt um 10% gestiegen. Die Entwicklung bei den Feriendomizilen lässt sich allerdings nicht mit einer einzigen Zahl messen – zu heterogen ist der Markt. Wie in der Schweiz gibt es in Österreich das ganze Spektrum an Zweitwohnsitzen – von der Luxusvilla bis zur vernachlässigten «Spelunke», wie der Amtsleiter Schnöll sagt. Er schätzt allerdings, dass sich die Preise von zentrumsnahen Liegenschaften in Bad Hofgastein in den vergangenen acht Jahren fast verdoppelt haben.

Verdoppelte Preise

Bei der einheimischen Bevölkerung löst diese Entwicklung vielerorts Unmut aus. Angesichts der steigenden Preise befürchtet sie, auf dem Wohnungsmarkt nicht mehr zum Zug zu kommen.

Beunruhigt sind auch Touristiker. Die Diskussion unterscheidet sich dabei kaum von jener in der Schweiz: Der Zweitwohnungsboom schade dem Fremdenverkehr, heisst es. Hotels würden zu Appartementhäusern umgebaut, viele Ferienwohnungen stünden einen Grossteil des Jahres leer, und darunter leide auch das lokale Gewerbe, etwa Metzger, Bäcker und Gastronomen. «Die Gemeinden sterben, wenn ein grosser Teil der Wohnungsbesitzer fast nie anwesend ist», sagt Daniel Fellner (SPÖ), Landesrat von Kärnten, im Gespräch.

Im südlich gelegenen Bundesland gehen die Emotionen derzeit besonders hoch. «Es brennt», sagt Fellner. Das hat auch mit einem Verdrängungseffekt zu tun. In den beiden westlichen Bundesländern Tirol und Salzburg, die gerade bei Deutschen und Schweizern besonders beliebt sind, haben die Regierungen scharfe Massnahmen gegen den Zweitwohnungsbau ergriffen.

So dürfen in einer Gemeinde keine Zweitwohnsitze mehr genehmigt werden, wenn deren Anteil am Wohnungsbestand bereits bei 8% (Tirol) beziehungsweise bei 16% (Salzburg) liegt. Diese verhältnismässig tiefen Limiten bedeuten, dass kaum mehr neue Zweitwohnungen auf den Markt kommen. Im Angebot sind fast nur Bestandesliegenschaften, beispielsweise, wenn Erben die Zweitwohnung ihrer Eltern abstossen, um sie zu Geld zu machen.

Viele Käufer weichen deshalb auf das Bundesland Kärnten aus, das für seine lieblichen Seenlandschaften bekannt ist. Die Ufer sind aber zum grossen Ärger der Einheimischen bereits weitgehend zugebaut. «Käufer drängen daher in die umliegenden Berge», sagt der Landesrat Fellner. Und das heizt die Empörung der Bevölkerung weiter an.

Dadurch ist für viele Bürgermeister eine bedrohliche Lage entstanden: Die Einwohner der Gemeinden erwarten, dass die lokale Verwaltung etwas gegen die Preisexzesse und die Verbetonierung der Landschaft unternimmt. Zögern die Bürgermeister, kommt in der Gemeinde rasch der Verdacht auf, sie steckten mit der Immobilienbranche unter einer Decke. «Verhaberung» nennt man das in Österreich. Diverse Amtsträger haben den Unmut der Bevölkerung jüngst zu spüren bekommen und sind abgewählt worden.

Dabei ist es gar nicht so einfach, dem Boom bei den Zweitwohnungen Einhalt zu gebieten. Österreichs Gemeinden haben schon diverse Rezepte ausprobiert, keines zeitigte aber einen durchschlagenden Erfolg. «Auf nationaler Ebene fehlt in Österreich schlicht eine konsequente Raumplanungspolitik», sagt der Ingenieur und Berater Richard Resch.

Die Massnahmen von Tirol und Salzburg will der Kärntner Landesrat Fellner jedenfalls nicht kopieren. «Sie sind viel zu rigide», sagt er. So könne es durchaus sinnvoll sein, dass der Zweitwohnungsbestand in einer Gemeinde eine gewisse Limite übersteige – auch Zweitwohnungsbesitzer belebten die lokale Wirtschaft. Zudem hat die Begrenzung des Angebots in Tirol und in Salzburg den Immobilienbesitzern hohe Buchgewinne beschert, was viele als ungerecht empfinden.

Niedrige Liegenschaftsabgaben

Tourismusgemeinden würden einen Teil dieser Gewinne gerne abschöpfen, um ihre Infrastruktur zu finanzieren. Immerhin ist diese wegen der Zweitwohnungsbesitzer auf eine Bevölkerungsgrösse ausgerichtet, welche die Zahl der ständigen Einwohner teilweise weit übersteigt.

Anders als die Schweiz kennt Österreich aber keine Eigenmietwertbesteuerung. Es gibt zwar lokale Zweitwohnungsabgaben, diese sind aber verhältnismässig niedrig und weisen eine Obergrenze auf.

Wiederholt haben Lokalpolitiker deshalb versucht, die Abgaben anzuheben. Aber auch dieses Ansinnen stösst jeweils auf vielfältigen Widerstand. Einflussreiche Zweitwohnungsbesitzer beschwerten sich bei der Landesregierung, wenn die Gemeinde mit dem Gedanken spiele, die Steuern zu erhöhen, klagt ein Vorarlberger Hotelier.

Gleichzeitig schrecken die Gemeinden vor einer Steuererhöhung auch deshalb zurück, weil davon auch Einheimische betroffen wären, die zwar weggezogen sind, in ihrer alten Heimat aber ein Haus geerbt haben und dieses für Ferienaufenthalte nutzen.

Die Lage ist also verzwickt. Was immer Österreichs Gemeinden und Bundesländer unternehmen, ruft Protest hervor. Dabei ist den meisten Politikern durchaus bewusst, dass der Druck am Immobilienmarkt hoch bleiben wird. Seit ein paar Monaten sprechen Ökonomen auffallend oft von den Inflationsgefahren, die in den kommenden Jahren infolge der lockeren Geldpolitik drohten. Solche Prophezeiungen schrecken wohlhabende Sparer auf. Mehr denn je werden sie wohl danach trachten, ihr Vermögen mit dem Erwerb von Sachwerten abzusichern. Die Nachfrage nach Zweitwohnsitzen dürfte deshalb hoch bleiben – in Österreich und anderswo.

Bewirtschaftete Resorts als Ausweg

Gerade in Kärnten will die Regierung deshalb ein wachsames Auge auf den Immobilienmarkt haben. Seitdem der Handel mit Zweitwohnungen in Österreich immer schwieriger geworden ist, setzen Immobilieninvestoren vermehrt auf sogenannte bewirtschaftete Ferienappartements (Buy-to-let). Davon existieren diverse Spielarten. Wohnungskäufer müssen sich beispielsweise verpflichten, ihr Appartement eine gewisse Zeit im Jahr zu vermieten.

Die Kärntner Regierung will genau darauf achten, dass dies auch geschieht. Buy-to-let-Liegenschaften gelten nämlich als anfällig für Umgehungsgeschäfte, beispielsweise, wenn Eigentümer für einen Aufenthalt bewusst so viel Geld verlangen, dass eine Vermietung der Wohnung gar nicht zustande kommt.

Dass sie von den Detektiven behelligt werden, müssen Käufer allerdings gleichwohl nicht allzu sehr befürchten. Selbst Bad Hofgasteins resoluter Amtsleiter Schnöll scheut die Eskalation mit fehlbaren Zweitwohnungsbesitzern. Der Detektiv solle vielmehr eine abschreckende Wirkung entfalten, sagt er.

Ohnehin ist umstritten, ob der Einsatz von «Schnüfflern» mit dem Datenschutz und den Grundrechten vereinbar ist. Die Salzburger Gemeinde Zell am See beispielsweise griff einst ebenfalls auf die Dienste von Detektiven zurück. Die juristischen Verfahren sind dann aber im Sand verlaufen. Einen Detektiv zu beschäftigten, sei eben auch eine Art Hilfeschrei der Gemeinde, sagt der Rechtsanwalt Kainz.