Dies & Das: Feuerkatastrophe heizt Klimadebatte an

Urs Wälterlin, Canberra, 22.12.2019

Bei den folgenschwersten Buschbränden der jüngeren Geschichte in Australien sind bis Sonntag mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Eine Fläche so gross wie Belgien ist abgebrannt.

In New South Wales brennt es und laut Medienberichten wird erwartet, dass sich die Umstände noch verschlechtern werden.

«Nur grossflächiger Regen wird diese Feuersituation lindern können.» Das war das Fazit des Kommandanten der ländlichen Feuerwehr im australischen Teilstaat New South Wales. Nach einem Wochenende mit Temperaturen über 40 Grad war es am Sonntag in einigen Brandgebieten zwar kurzzeitig zu Niederschlägen gekommen. Aber die über hundert Feuer wurden dadurch nicht gelöscht. Laut Meteorologen kann die Ostküste frühestens im australischen Herbst, also etwa im April, mit Regen rechnen – wenn überhaupt. Denn weite Landesteile leiden seit Jahren unter einer durch den Klimawandel verschärften Periode extremer Trockenheit.

Am Samstag wurden die Feuerbedingungen im Gliedstaat als «katastrophal» erklärt – eine Kombination aus starken Winden, Temperaturen über 40 °C und niedriger Luftfeuchtigkeit. «Katastrophal» ist die höchste Bewertung der Brandgefahr und entspricht den Bedingungen bei den Buschbränden des «Schwarzen Samstags» im Jahr 2009, als nördlich von Melbourne über 170 Menschen in den Flammen starben.

Die Geschwindigkeit, mit der sich am Wochenende einige der Feuer ausbreiteten, führte vor allem im Raum Sydney zur Sperrung wichtiger Strassen. Der Hume Highway, die Autobahn in Richtung Süden, war stundenlang geschlossen. Für Dutzende von Eigenheimbesitzern und Bauern gab es keine Hilfe: Ihre Häuser, Werkgebäude und Tiere wurden Opfer der Flammen. 120 Kilometer südlich von Sydney brannte das Dorf Balmoral beinahe komplett nieder. In vielen Fällen konnten die Feuerwehrleute nur zusehen, wie die Infernos Häuser und andere Gebäude zerstörten. Die Hitzestrahlung von bis zu 50 Meter hohen Flammen war zu intensiv für einen Einsatz.

Feuerwehr ist erschöpft

Insgesamt waren am Wochenende 10 000 Einsatzkräfte im Dienst. 2000 Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr kämpfen zum Teil schon seit Wochen gegen die Brände. Viele sind am Rand der Erschöpfung. Vergangene Woche wurden zwei Feuerwehrleute getötet, als ihr Einsatzfahrzeug auf einen gefallenen Baum prallte und sich überschlug. Auch in Südaustralien, Victoria und in Westaustralien führten zum Teil grossflächige Brände zu Zerstörungen. Nördlich der Stadt Adelaide starb ein Mann, als er sein Haus vor dem Feuer retten wollte.

Die Tatsache, dass Premierminister Scott Morrison während der grössten Krise seiner Amtszeit in Hawaii Ferien machte, verärgerte auch am Sonntag weite Teile der Bevölkerung. Nachdem er am Samstag seine Ferien abgebrochen und nach Sydney geflogen war, besuchte der Premierminister am Sonntag die Einsatzzentralen verschiedener Feuerwehren. Nicht überall stiess seine Anwesenheit auf Begeisterung. Morrison entschuldigte sich für seinen Entscheid und rief die Bevölkerung dazu auf, «freundlich zueinander zu sein». Danach beschuldigte er diejenigen, die verstärkt die globale Erwärmung bekämpfen wollen, sie seien politisch motiviert.

Vor der offiziellen Residenz des Premierministers in Sydney war es auch am Wochenende zu Demonstrationen gekommen. Protestierende forderten die Regierung auf, verstärkt gegen den Klimawandel vorzugehen. Laut Experten führt die Erderwärmung zu längeren, heisseren und trockeneren Sommern, was die Häufigkeit und Schwere von Buschbränden erhöht.

Am Samstag hatte Morrisons Stellvertreter Michael McCormack Kritiker mit der Aussage überrascht, die Regierung sei sich «absolut einig», dass «weitere Massnahmen» zur Bekämpfung des Klimawandels notwendig seien. In der Bevölkerung habe in der Frage der globalen Erwärmung «ein Umdenken stattgefunden», so der als vehementer Klimawandelskeptiker bekannte Politiker. Morrison allerdings zerschlug Hoffnungen auf eine progressivere Klimapolitik am Sonntag. Er meinte, der Klimawandel sei «einer von vielen Faktoren», die zu Feuern führten, und listete andere Brandursachen auf, wie Vegetationsmanagement, Bauvorschriften, Nachlässigkeit, Brandstiftung und Blitzschlag.

Emissionen steigen

Bei der jüngsten Klimakonferenz in Madrid hatte sich der australische Energieminister Angus Taylor aktiv gegen weitreichende Klimaschutzmassnahmen engagiert. Gemäss dem Pariser Abkommen muss Australien seine CO2-Emissionen in den nächsten zehn Jahren um insgesamt 695 Millionen Tonnen senken, um das Ziel einer Reduktion um 26 Prozent bis 2030 erreichen zu können. Die Morrison-Regierung meint, dass mehr als die Hälfte dieser Reduzierung mit Gutschriften aus der Erfüllung früherer Kyoto-Ziele erreicht werden solle – und nicht aus wirklicher Emissionsreduzierung. Kritiker sprechen von einem «buchhalterischen Trick».

Kernstück der australischen Klimapolitik ist die Schaffung eines Fonds, aus dem Verursacher wie grosse Bergbauunternehmen für die Reduzierung der Emissionen bezahlt werden. Die konservative Regierung hatte 2014 ein von der sozialdemokratischen Vorgängerregierung eingeführtes Kohlenstoff-Handelssystem wieder abgeschafft. Seither steigen Australiens Klimagasemissionen wieder. Australien ist der grösste Kohleexporteur der Welt und produziert gut zwei Drittel seines Stroms mit dem Verbrennen des klimaschädigenden Rohstoffs.