- „Betongold der Alpen“: ORF-„Schauplatz“ über umstrittene Immobilienprojekte für Reiche
- „Verhinderer“
- Ungleichheiten
- „Buy to let“-Modell
- Proteste gegen den Ausverkauf der Heimat
- Überforderte Bürgermeister
„Betongold der Alpen“: ORF-„Schauplatz“ über umstrittene Immobilienprojekte für Reiche
Noch ist es ruhig in Piesendorf im Pinzgau. Doch das könnte sich ändern. Der kleine Ort, nicht weit weg von Zell am See, soll mit Liftanlagen und 23 Hektar Pistenfläche an das große Zeller Skigebiet angeschlossen werden. Geplant seien neben einer Gondelbahn quer durch das Tal auch eine neue Apartmentanlage und Chalets, erzählen Bewohner ORF-Reporterin Nora Zoglauer. Für ihre „Schauplatz“-Reportage „Betongold der Alpen“ (Donnerstag, 21.05 Uhr, ORF 2, danach in der ORF-TVthek) war sie in Salzburg und der Steiermark unterwegs.
Derzeit entstehen dort in den heimischen Alpen immer mehr Luxusimmobilien, bei den Reichen stehen diese Chalets – oft direkt an eine Skipiste gelegen – hoch im Kurs. Dabei geht es meist nicht darum, dort selber zu wohnen. Diese Apartmentanlagen sind gewinnbringende Investitionen, die hohe Rendite versprechen.
„Verhinderer“
In Piesendorf hat Nora Zoglauer den Bauer Toni Lackner kennengelernt. Er sei ein Verhinderer, einer, der den wirtschaftlichen Aufschwung des Dorfes blockiere, sagen dort manche. Denn Lackner und seine Frau Cornelia wehren sich seit Jahren gegen das geplante Projekt Schmitten-Erweiterung auf den Hochsonnberg. Die Skipiste hätte über ihre Almen führen sollen. Von Ausgleichszahlungen wollte das Paar nichts wissen.
Schon vor einem Jahr berichtete Zoglauer im ORF-„Schauplatz“ über umstrittene Immobilienprojekte in den Bergen, unter anderem über Projekte im Oberpinzgau. Reiche Investoren schätzen dort die Nähe zu Kitzbühel. Aber gegen diese Spekulationsobjekte regt sich immer mehr Widerstand. Auch weil es oft an Transparenz fehlt. Einheimische erfahren nicht selten erst dann Genaueres über die Pläne, wenn schon der erste Bagger auffährt. Von Gemeinden werden gesetzliche Regeln, die verhindern sollen, dass illegale Zweitwohnsitze überhandnehmen, umgangen. Und diese Immobilienprojekte machen die Bodenpreise für die Einheimischen oft unerschwinglich.
Ungleichheiten
„Das Thema polarisiert extrem, weil es ganz viele Ungleichheiten aufzeigt. Zum einen die Immobilienspekulation, wo in den meisten Fällen nur wohlhabende Menschen profitieren. Also ein paar wenige, die es sich richten können und die die schönsten Plätze für sich beanspruchen“, sagt Zoglauer zum STANDARD. „Und dann geht es natürlich auch um das ganz große Thema Bodenversiegelung in Zeiten des Klimawandels. Und in diesem Kontext um die Frage, wie in diesen Regionen der Wintertourismus in Zukunft aussehen soll.“
„Buy to let“-Modell
Im Ennstal rund um Schladming hat Alexandra Gföller eine Bürgerinitiative gegründet, als in ihrer Nachbarschaft der Bau eines großen Chaletdorfs genehmigt wurde. Weil dort keine Zweitwohnsitze mehr entstehen dürfen, kommt das sogenannte „Buy to let-Modell“ zur Anwendung, erklärt Zoglauer in der Sendung. Das geht so: Ein Unternehmen errichtet ein Hotel, parifiziert es, sodass jede einzelne Wohneinheit im Grundbuch einen eigenen Eigentümer haben kann, und verkauft die Einheiten anschließend einzeln an Investoren. Über Betreiberfirmen müssen dann die Wohnungen an Touristen vermietet werden. Vertraglich sind diese Verträge auf zehn bis 15 Jahre festgesetzt. Nach Ablaufen dieser Verträge werden diese Apartments dann zu Zweitwohnsitzen.
„Im Großen und Ganzen bringen Immobilienanlagen den Orten gar nichts. Das ist eine Mär mit der Wertschöpfung“, so Zoglauer. Meist seien diese Investorenprojekte nur in der Hauptsaison belegt und in der Nebensaison total verwaist. „Sie tragen immens zur Bodenversiegelung bei, treiben die Immobilienpreise drastisch in die Höhe und stellen auch eine große Konkurrenz zur heimischen Hotellerie dar.“
Proteste gegen den Ausverkauf der Heimat
Immer mehr Menschen protestieren gegen diesen Ausverkauf der Heimat. Und das, obwohl sie teils mit Einschüchterungen konfrontiert sind. „Egal ob der Wörthersee, Kitzbühel, der Pinzgau oder das Ennstal, es war überall dasselbe Bild: Menschen die sich gegen solche Projekte stellen, haben mir erzählt, dass sie Probleme bekommen haben“, erzählt Zoglauer. „Viele wollten deswegen vor der Kamera gar nicht mit mir reden. Als Verhinderer, die den wirtschaftlichen Aufschwung der Gemeinde blockieren, hätte man sie beschimpft. Ihnen angedroht, dass es berufliche Nachteile geben wird, dass Kinder keinen Kindergartenplatz bekommen würden und vieles mehr.“
Ihren Unmut zeigen Bewohner auch mit ihrer Wählerstimme. Bei den Gemeinderatswahlen im Juni wurden die Bürgermeister von Schladming und Haus abgewählt. Gewonnen haben unabhängige Bürgerlisten. Die Wahlsieger haben jetzt eine zweijährige Bausperre für ihre Gemeinden verhängt.
Zoglauer: „Zum Teil hat bei den Menschen ein Umdenken, eine Sensibilisierung stattgefunden. Im Pinzgau zum Beispiel haben uns viele Menschen nach der Sendung berichtet, dass sie sich gar nicht bewusst waren, was in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft alles verbaut wird. Die Landesregierung hat Gesetze verschärft. Auch dort hat man den Ernst der Lage realisiert.“
Überforderte Bürgermeister
Was müsste sich politisch ändern, um solche umstrittenen Projekte zu verhindern? Zoglauer: „Wahrscheinlich muss die Raumordnung weg von den Gemeinden. Bürgermeister und Gemeinderäte sind mit dieser komplexen Materie, die ja eines Universitätsstudiums bedarf, meines Erachtens in den meisten Fällen völlig überfordert.“
In Piesendorf bremste der Verwaltungsgerichtshof die Skigebietserweiterung, das Höchstgericht sieht kein öffentliches, sondern nur betriebswirtschaftliches Interesse. Zumindest ein Etappensieg für Toni und Conny Lackner und die dortige Bürgerinitiative. Die Schmittenhöhebahn AG will das Projekt weiterverfolgen. (Astrid Ebenführer, 19.11.2020)
Das sagen die Anderen…