Wiener Zeitung…und die Politik,
eine österrichische Geschichte
- „Wiener Zeitung“ muss nach 320 Jahren tägliche Druckausgabe einstellen
- „Wesentlicher Beitrag“
- Zwanzig Millionen für Medien
- Stimmen zum Thema…
„Wiener Zeitung“ muss nach 320 Jahren tägliche Druckausgabe einstellen
Die „Wiener Zeitung“, die erstmals 1703 erschien, hat Kriege, Krisen und Kalamitäten überlebt: die Französische Revolution, das Metternich-Regime, das Jahr 1848, den Ersten Weltkrieg, Weltwirtschaftskrise, den Zweiten Weltkrieg, den Nationalsozialismus und die Besatzungszeit. Immer kam sie wieder und informierte die Menschen in Österreich sachlich, korrekt und qualitätsvoll über das Weltgeschehen. Doch jetzt wird alles anders: Wie es aussieht, wird die „Wiener Zeitung“ in ihrer gedruckten Form als Tageszeitung die Jahresmitte 2023 nicht überstehen.
Die türkis-grüne Bundesregierung verständigte sich im Rahmen eines am Mittwoch präsentierten Medienpakets auf einen neuen öffentlich-rechtlichen Auftrag sowie auf eine Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen in der „Wiener Zeitung“.
Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) gab bekannt, dass damit die „Wiener Zeitung“, die sich zur Gänze im Besitz der Republik Österreich befindet, als Online-Zeitung erhalten bleiben soll. Darüber hinaus wird sie auch eine regelmäßige Print-Publikation produzieren, die mindestens monatlich erscheinen muss. Im Rahmen der Mittel wäre aber im neuen Auftrag auch eine öftere Erscheinungsweise möglich, auch wöchentlich.
Des Weiteren wird die „Wiener Zeitung“ im Rahmen eines „Media Hub Austria“ auch zentrale Ausbildungsstätte für Journalistinnen und Journalisten in Österreich. Hier sollen auch Journalisten ausgebildet werden, auf die dann andere Medienhäuser zurückgreifen können. Diese können im Rahmen der Redaktion theoretisch und praktisch eine fundierte Ausbildung erhalten.
„Wir haben in den letzten Monaten ausführliche Gespräche mit der ‚Wiener Zeitung‘ und mit Expertinnen und Experten geführt“, sagte Medienministerin Raab. Ziel sei es gewesen, die unabhängige Redaktion und die Traditionsmarke zu erhalten und das Medienhaus fit für das digitale Zeitalter zu machen. Hintergrund für die Änderung des Geschäftsmodells ist die Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen in gedruckter Form im Amtsblatt der Zeitung. Sie machen mit 20 Millionen Euro einen großen Teil der „Wiener Zeitung“-Einnahmen aus und dürften mit Jahresende wegfallen. Das Amtsblatt wird künftig digital erscheinen und zu einer „elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes“ (EVI) ausgebaut.
„Wesentlicher Beitrag“
Auf den Personalstand der Redaktion der „Wiener Zeitung“ soll das keine Auswirkungen haben. „Jeder Mitarbeiter bekommt die Möglichkeit, sich im neuen Geschäftsmodell zu beteiligen“, so Raab. Es werde auch weiterhin Unterstützung durch den Staat geben. „Es gibt ja auch neue Aufgaben“, meinte die Medienministerin. Die Finanzierung wird dann aus dem Bundesbudget erfolgen.
„Wiener Zeitung“-Geschäftsführer Martin Fleischhacker freut sich, dass „Alle Zukunftsvisionen – vom Medium bis zum Media Hub Austria im Unternehmen selbst entstanden sind“ und „die Politik diese Ideen aufgegriffen und gemeinsam mit uns weiterentwickelt hat“. Es sei gelungen, „eine gute Lösung zu finden, und ich lade alle ein, sich dabei einzubringen“, so Fleischhacker. „Wir sind davon überzeugt, einen wesentlichen Beitrag für den Medienstandort Österreich zu leisten!“
Die Redaktion der „Wiener Zeitung“ reagierte indessen mit einer Resolution, in der sie fordert, dass der Eigentümer „Verantwortung für sein Eigentum“ übernehmen müsse. „Die ‚Wiener Zeitung‘ hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer der besten Qualitätszeitungen des Landes entwickelt. Auch die Digitalisierung der ‚Wiener Zeitung‘ beginnt nicht mit 2022, wie die Vorhaben des Eigentümers andeuten“, hielten die Redakteurinnen und Redakteure fest. Die Geschäftsführung brauche verlegerische Kompetenzen und Qualitätsjournalismus finanziellen Rückhalt.
Die Redaktion befürchtet „massiven Personalabbau“ durch die Abkehr von der gedruckten Tageszeitung. Jedoch: „Ein qualitätsvolles Online-Medium ergänzt um eine Monatszeitung lässt sich nicht mit weniger Redakteurinnen und Redakteuren, als aktuell angestellt sind, produzieren.“ Bemängelt wird in der Resolution, dass die gewählte Vertretung der Redaktion bei den geplanten „gravierenden Veränderungen“ nie hinzugezogen worden sei. Abschließend wünscht sich die Redaktion einen Partner, der die Zeitung der Republik in eine gute Zukunft führen könne.
Zwanzig Millionen für Medien
Indessen hat sich die Bundesregierung auch in zwei weiteren anstehenden Punkten geeinigt, wie Raab und Grüne Klubchefin Sigrid Maurer bekannt gaben. Ein entsprechender Ministerratsvortrag wurde im Ministerrat eingebracht. Im Medienpaket werden zusätzlich zu den schon bestehenden Fördermaßnahmen für die Presse eine neue Medienförderung im Volumen von jährlich 20 Millionen Euro geschaffen. 15 Millionen sollen dabei als Basisförderung vergeben werden, deren Höhe soll sich nach der Anzahl der nach Kollektivvertrag beschäftigten Journalisten vergeben werden.
2,5 Millionen stehen zur Förderung der inhaltlichen Vielfalt und 1,5 für redaktionsinterne Ausbildungsmaßnahmen zur Verfügung. Um diese Add-ons können die Medien zusätzlich ansuchen. Auch die Förderung für Presseclubs und Presserat werden erhöht. Zusammen mit der Presseförderung (9 Millionen) sowie der Transformationsförderung (heuer 54 Millionen) stünde dann ein Vielfaches der bisherigen Förderung zur Verfügung.
„Medien sind die 4. Säule der Demokratie und wichtiges Korrektiv“, sagte Raab. Es gehe darum, „die Medienvielfalt absichern, den Medienstandort Österreich stärken und in die Zukunft führen“. „Wir brauchen als Bürgerinnen und Bürger qualitätsvollen Journalismus, der die Unordnung ordnet“, so Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer. „Ohne Medien und Journalismus ist die Demokratie inexistent. Diesen Beitrag zur Demokratie wollen wir unterstützen.“
Weiters besteht Einigung auf eine Reform der Medien-Transparenz. Die Inseratenvergabe durch öffentliche Rechtsträger soll künftig lückenlos dargelegt und transparent sowie nachvollziehbar gestaltet werden. „Jedes Inserat, jeder Euro muss nachvollziehbar sein. Ich will, dass jeder auf Knopfdruck einsehen kann, bei welchen Medien wofür geschaltet wurde“, sagte Raab. Mit dem neuen Gesetz sollen Inseratenschaltungen bzw. Medienkooperationen künftig ab dem ersten Euro gemeldet und veröffentlicht werden. Ab 5.000 Euro pro Rechtsträger und Quartal müssen künftig auch die geschalteten Inserate bzw. Sujets oder Spots bekanntgegeben werden. Nicht kommen wird dagegen eine Obergrenze für Inseratenschaltungen.