Ideen für eine bessere Welt
Lisa Breit – 23.August 2024 Ein Meeresbiologe kämpft für saubere Strände Michael Stachowitsch forschte viele Jahre am Strand und im Meer. Dabei sah er Berge von Müll. Mit einem neuen Buch macht er eindringlich auf das Problem aufmerksam. Es gibt kaum etwas, das Michael Stachowitsch nicht schon am Strand gefunden hat. Verlorene Schuhe und Hüte, Uhren, Glühbirnen, Fischernetze, abgestellte Autos, Toiletten und sogar angeschwemmte Drogen, die Schmuggler über Bord geworfen hatten – bis hin zu Landminen. Nach einiger Zeit begann der Meeresbiologe, den Müll zu fotografieren. Er dokumentierte das Unschöne an einigen der schönsten Orte der Welt, den Stränden. Zu sagen, dass seine Fotos Dokumente einer Zerstörung sind, ist wohl nicht übertrieben. Aufgewachsen ist der gebürtige Österreicher in den USA, wo sein Vater, ein professioneller Tennisspieler, beruflich zu tun hatte. Sein Studium absolvierte er an der University of Pittsburgh, kehrte jedoch für seine Promotion nach Wien zurück. Trotz der Binnenlage Österreichs gibt es dort eine lange Tradition der Meeresforschung. Das Meer habe ihn schon immer fasziniert, erklärt Stachowitsch im Gespräch mit dem STANDARD: „Das Leben im Meer ist um ein Vielfaches reicher als im Süßwasser.“ Der österreichische Meeresbiologe Michael Stachowitsch forschte zu Meeresböden, die zur Todeszone werden. Michael Stachowitsch Sterben an Meeresböden Seine Forschung führte ihn unter anderem zum Golf von Triest an die nördliche Adria. Dort untersuchte er die Meeresböden, wo er mit seinem Team ein Massensterben beobachtete: „Wir hatten keine Ahnung, was es verursachte.“ Die Forschenden stellten fest, dass mangelnder Sauerstoff der Grund war. „Die Sauerstoffwerte am Meeresboden gehen gegen null, und dann sterben alle Meeresorganismen über Tausende von Quadratkilometer ab.“ Es handle sich also um eine Todeszone. „Davon gibt es weltweit inzwischen ungefähr 500, und die Nordadria ist eine von ihnen.“ Jahre später untersuchte Stachowitsch dieses Phänomen erneut. Mit einem Plexiglaskubus simulierten er und sein Team die Sauerstoffkrise und dokumentierten das Geschehen im Zeitraffer. „Wir wollten herausfinden, welche Tiere am empfindlichsten reagieren und welche am längsten durchhalten.“ An türkischen Stränden retteten Stachowitsch und seine Kolleginnen und Kollegen gefährdete Meeresschildkröten. Michael Stachowitsch Über zwei Jahrzehnte hinweg forschte Stachowitsch auch zu Meeresschildkröten in der Türkei, konkret zur Caretta caretta, der Unechten Karettschildkröte. „Wir haben jene Strände überwacht, an denen die Karettschildkröte nistet.“ Gemeinsam mit türkischen Kolleginnen und Kollegen verbrachte das Team der Universität Wien viele Nächte am Strand. „Wir haben markiert, wo die erwachsenen Schildkröten ihre Nester angelegt haben.“ Am Morgen untersuchten sie dann, wo die Jungtiere Wochen später geschlüpft waren. Orientierung am Licht Ein großes Problem für die Babyschildkröten sei die zunehmende Lichtverschmutzung, erklärt Stachowitsch. „Die Babyschildkröten orientieren sich am Licht. Normalerweise folgen sie den Wellen, die im Mondschein leuchten. Aber eine einzige Lampe an einem Hotel auf der anderen Straßenseite kann sie in die falsche Richtung locken, wo sie dann verenden.“ Während seiner Forschungen brachte das Team tausende Babyschildkröten ins Meer, die es sonst nicht geschafft hätten. Die Unechte Karettschildkröte, sagt Stachowitsch, ist eine gefährdete Art. „Jedes einzelne Individuum zählt.“ Im Laufe der Zeit bemerkte der Forscher jedoch, dass die Strände, an denen er arbeitete, zunehmend verschmutzt waren. Statt auf Muscheln, Schnecken oder Krebse stieß er immer häufiger auf Plastik, Glas, Metall und Kleidung. Er entschloss sich, diese Vermüllung zu dokumentieren. „So wie ich zuvor unter Wasser die hässlichen Seiten des Zerfalls des Ökosystems fotografiert habe, so fotografierte ich nun die unschönen Dinge am Strand.“ „Das Interessante ist: Überall sind die Strände verschmutzt, und überall ist der Müll ähnlich“, sagt Stachowitsch. Am Bild zu sehen ist ein Strand in Südkorea. Michael Stachowitsch Als Meeresbiologe und österreichischer Vertreter der Internationalen Walfangkommission reiste Stachowitsch an viele Orte der Welt: in die USA, nach Kuba, Japan, Südkorea, Griechenland, Italien, Schottland, Ägypten, die Karibik, Jordanien und Marokko. „Das Interessante ist: Überall sind die Strände verschmutzt, und überall ist der Müll ähnlich.“ Die größte Bedrohung für Wale gehe heute längst nicht mehr vom Walfang aus – sondern von Beifang, Kollisionen mit Schiffen und vom Plastikmüll, den die Tiere verschlucken oder in dem sie sich verfangen. „Verheddert sich ein Wal in einem tonnenschweren Fischernetz, schleppt er es monatelang mit sich herum. Er kann nicht mehr fressen, und die Netze schneiden in seine Haut.“ Für das Tier bedeutet das einen langsamen, qualvollen Tod. Nicht nur unästhetisch Einiges von dem Müll, der im Meer schwimmt, wird direkt ins Meer geworfen, anderes gelangt über Flüsse dorthin. Der viele Müll ist längst nicht nur ein ästhetisches Problem. Er sei auch eine Bedrohung für die Meeresfauna und -flora und für den Menschen selbst, betont der Forscher. Tiere fressen das Plastik und verheddern sich darin. Zudem können Organismen den Müll bevölkern und so tausende Kilometer durchs Meer gespült werden, wo die Fremdlinge die Ökosysteme stören. Nicht zuletzt hat der viele Müll auch für die Menschen selbst Konsequenzen: Er gelangt in die Netze der Fischer und verstopft die Kühlsysteme von Schiffen. Strandbesucherinnen und -besucher können sich daran verletzen. Während seiner Forschungen stieß der Meeresbiologe auf so viel Müll am Strand, dass er begann, die Zerstörung zu dokumentieren. M. Simmonds Küstengemeinden müssen zudem viel Geld in die Säuberung der Strände investieren, denn schmutzige Strände sind nicht gut für den Tourismus. Deshalb pflügen vielerorts riesige Maschinen den Strand. Das wiederum schadet ihm abermals: „Es ist ein erheblicher Eingriff in das lebendige Ökosystem.“ Ein Buch über den Müll Kürzlich hat Stachowitsch im Springer-Verlag ein Buch mit seinen Fotos und Erkenntnissen veröffentlicht. Es trägt den Titel Mülleimer Strand und soll Bewusstsein schaffen für die Schäden, die Müll in der Natur anrichtet. Es zeigt, teils auf humorvolle Art und Weise, welche Arten von Müll an den Ständen landen, wie er dort hingelangt und wie er richtig entsorgt werden sollte. Der Experte erläutert auch, welchen Müll man mit gutem Gewissen mitnehmen kann und welchen man besser liegen lassen sollte, wie etwa Gaskartuschen und Ölfässer. Auch Zigarettenstummel seien „kleine Giftbomben“. Stachowitsch ist überzeugt: Jeder und jede kann dazu beitragen, das Problem der Meeresverschmutzung zu bekämpfen. Es mache schon einen Unterschied, den Plastikmüll insgesamt zu reduzieren. Zudem könnten viele Verpackungen wiederverwendet statt weggeworfen werden. Wichtig sei auch, seinen Müll vom Strand mitzunehmen – und am besten noch ein